Laut Berichten aus der Ukraine hat die Flugabwehr des Landes am 14. Januar gegen 21 Uhr zwei wichtige Flugzeuge der russischen Luftstreitkräfte über dem Asowschen Meer angegriffen. Dabei handelte es sich um eine der Frühwarnung dienende Berijew A-50 (NATO-Codename Mainstay) und einer zur elektronischen Aufklärung und als fliegendes Kommunikationszentrum genutzten Iljuschin Il-22M. Die A-50 soll in der Folge abgestürzt, die aus wahrscheinlich elf bis zwölf Personen bestehende Besatzung dabei gestorben sein. Die Il-22M konnte dagegen im südrussischen Anapa notlanden. Ein auf Telegram gepostetes Foto zeigt ein durchsiebtes Leitwerk und Heck des Turboprops.
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Abschuss durch eigene Abwehr?
Wie der gewöhnlich gut unterrichtete (und staatstreue) russische Telegram-Kanal "Fighterbomber" behauptet, seien die Flugzeuge nicht von der Ukraine, sondern von der eigenen Luftabwehr angegriffen worden: "Sie fällt uns immer in den Rücken. Es ist unmöglich, sich dagegen zu verteidigen oder sie irgendwie vorherzusehen oder zu berücksichtigen." In der Tat hatten bereits im Juli 2022 eigene Streitkräfte eine Su-34 Flanker über der Ost-Ukraine abgeschossen. Auf der anderen Seite könnte auch das von der Ukraine genutzte Patriot-Flugabwehrsystem für den Absturz der A-50 verantwortlich sein. Der Kreml indes bestritt laut russischen Medien inzwischen, dass überhaupt ein A-50-Verlust zu beklagen sei. Sprecher Dimitri Peskow sagte, man habe keine Belege für einen Abschuss oder Absturz. Auch einige russische Militäranalysten bestreiten den Vorfall offenbar.
Raytheon
Ob die A-50 wirklich von einem Patriot-Flugkörper abgeschossen wurde, ist nicht nur angesichts der Reichweite des Systems offen.
Patriot-Erfolg fraglich
Tatsächlich scheint es unwahrscheinlich, dass die ukrainischen Streitkräfte ein so wertvolles System wie eine Patriot-Batterie an die vorderste Front verlegen. Dem Asowschen Meer am nächsten gelegen wäre die rund 90 Kilometer entfernte Gegend um Robotyne. Diese Position liegt aber eigentlich am Rand oder sogar jenseits der Reichweite der Patriot-Flugkörper. So gibt beispielsweise die Bundeswehr eine Bekämpfungsreichweite von 68 Kilometern für den PAC-2-Standard an. Außerdem patrouillieren die russischen AWACS-Jets in der Regel so weit wie möglich von der Frontlinie entfernt, ob kein Risiko einzugehen. Und zumindest das Trefferbild bei der notgelandeten Il-22M deutet eher nicht auf Patriot-Beschuss hin. Doch egal welche Version stimmt: Sollte der Verlust der A-50 sich definitv bestätigen, wäre das ein herber Rückschlag für Russland.
kosmos111 via Gettyimages
Russland verfügt nur über eine begrenzte Anzahl einsatzbereiter A-50-Frühwarnflugzeuge.
Das fliegende Auge Russlands
Die Mainstay leistet wichtige Dienste für der Erfassung gegnerischer Flugkörper und kann aus – zumindest bisher – sicherer Entfernung in den ukrainischen Luftraum blicken. Damit koordiniert sie eigene Kampfflugzeuge und Luftabwehrstellungen, besonders im Einsatz gegen ukrainische Drohnen. Auch Marschflugkörper lassen sich identifizieren.
Russisches Verteidigungsministerium
Herzstück der A-50 ist das in einem Radom auf dem Rumpf angeordnete Schmel-Radar.
50 Ziele verfolgbar
Die A-50 entstand in den 70er Jahren als Nachfolger der propellergetriebenen Tupolew Tu-126 Moss. Als Basis wählten die Ingenieure den Strahltransporter Iljuschin Il-76. Die Integration der Missions-Avionik übernahm das Beriew-Konstruktionsbüro. Kernpunkt des nun A-50 genannten Musters ist das in einem Radom auf dem Rumpfrücken untergebrachte Schmel-Radar, das bis zu 50 Ziele über eine Entfernung von 230 Kilometern verfolgen kann. Größere Ziele wie Schiffe lassen sich schon im Abstand von 400 Kilometern entdecken. Das sogenannte Rotodome besitzt einen Durchmesser von 10,8 Metern.
Russisches Verteidigungsministerium
Die Mainstay-Flotte ist normalerweise in Iwanowo stationiert.
Im Dienst seit fast 40 Jahren
Die erste umgerüstete A-50 startete am 19. Dezember 1978 in Taganrog zu ihrem Jungfernflug. Zwei weitere Prototypen folgten. Die Serienfertigung begann im Jahr 1984, und Mitte der 80er Jahre übernahmen die Streitkräfte die ersten Exemplare. Im Jahr 1992 sollen 25 Maschinen einsatzbereit gewesen sein. Eine Reihe davon erhielt später als A-50U ein Avionik-Upgrade. Wie viele Maschinen sich derzeit im Inventar befinden, ist fraglich. Aktuelle Schätzungen gehen von rund zehn bis 15 Exemplaren aus. Davon dürften aber bei weitem nicht alle einsatzbereit sein. Der dringend benötigte Nachfolger in Form der verbesserten A-100 lässt auf jeden Fall weiter auf sich warten und könnte frühestens in diesem Jahr in Dienst gehen.
Auswirkungen auf die Aufklärung
Sollte der jüngste (mutmaßliche) Verlust tatsächlich auf das Konto der ukrainischen Truppen gehen, hätte das schwerwiegende Folgen für Russland. Aufgrund der geringen Stückzahlen werden die Streitkräfte wohl kaum einen weiteren Abschuss riskieren und daher die A-50 noch weiter von der Front entfernt einsetzen. Damit ginge eine wichtige Aufklärungsfähigkeit verloren.
Redakteur
Schon früh hat ihn die Faszination Luftfahrt gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen. Nach 15 Jahren als Print-Redakteur bei der FLUG REVUE geht es nun online auf die Suche nach spannenden Themen.
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